Sarah Schulze Darup
5. August 2024
Sie kann Herzen, Gedanken und sogar Verhalten ändern. Doch allzu oft wird diese Kraft nur dazu benutzt, die Konsumkultur zu fördern. Dabei kann sie so viel mehr. Unendlich viel mehr. Wir wollen, dass Marketing sein volles Potenzial entfalten kann und Unternehmen auf ihrem Weg in eine lebenswerte Zukunft begleitet. Dabei stehen nachhaltiges Unternehmertum und wirtschaftlicher Erfolg selbstverständlich nicht im Widerspruch. Sie bilden – im Gegenteil – die Basis für langfristigen Erfolg.
1975 veranstaltete, The American Marketing Assication (AMA) den Workshop „Ecological Marketing” basierend auf dem gleichnamigen Buch von Geison & Kinnear (1976). Kurz darauf wurde auch der Begriff „Green Marketing“ geprägt.
Schon damals ging es nicht nur um die Vermarktung nachhaltiger Produkte. Grünes Marketing umfasst alle Aktivitäten, die darauf abzielen, Wünsche oder Bedürfnisse zu erfüllen. Allerdings mit minimalen Auswirkungen auf die Umwelt (Polonsky 1994).
Der Klimawandel kann uns bis 2050 zwischen 280 und 900 Milliarden Euro in Deutschland kosten (Quelle). Um Unternehmen resilient & zukunftsfähig aufzustellen, benötigt es jetzt das strategische Überdenken von Geschäftsmodellen und langfristige Investitionen in Green Growth. Dabei bilden Frameworks, wie die Triple Bottom Line von John Elkington „People, Planet & Profit“ oder sogar die „5 Ps“ mit People, Planet, Prosperity, Peace und Partnership, die zentrale Grundlage.
Eine synergetische Zusammenarbeit aller zentralen Abteilungen wird zum Erfolgsfaktor. Marketing & Kommunikation spielt dabei eine zentrale Rollen – intern wie extern.
Intern gilt es den Changeprozess zu begleiten, eine gemeinsame Vision zu schaffen und das Management in ihrer Arbeit als Vorbilder zu unterstützen. Zudem spielt das Thema Nachhaltigkeit für Mitarbeitende und Talente eine zunehmend wichtige Rolle – insbesondere steigt die Relevanz von Weiterbildung im Bereich Nachhaltigkeit.
Für die externe Kommunikation empfiehlt sich eine engere Zusammenarbeit insbesondere mit dem Product Management, der Unternehmens- & Nachhaltigkeitsstrategie, Supply Chain und People & Organisation. Niemand im Unternehmen kennt die Bedürfnisse des Marktes und der Kund*innen besser als das Marketing- und Kommunikationsteam. Zudem baut eine Kommunikation ohne Greenwashing auf wissenschaftlichen Fakten auf, die vornehmlich aus der Unternehmensstrategie, dem Produkt Management & Supply Chain Bereichen kommen.
Die Neufassung des Klimaschutzgesetzes zielt auf eine sozial gerechte, ökonomisch vertretbare und langfristig wirksame Wirtschaft ab. Treibhausgasemissionen sollen gemindert und Deutschland bis 2045 treibhausgasneutral sein (Quelle). Jedoch fehlt es an einer konkreten Roadmap für die Branchen. Daher fordert die Deutsche Umwelthilfe, ausreichende Klimaschutzmaßnahmen vorzulegen (Quelle).
Warum es sich lohnt die Regularien im Blick zu behalten? Weil 72% Konsument*innen alleine den Verdacht auf Greenwashing sofort bestrafen (Quelle). Weil es zu Abmahnungen wegen irreführender Werbung/Kommunikation, Unterlassungs- oder Schadensersatzklagen kommen kann. Zudem drohen drastische Strafen und Reputationsschäden.
Daher lohnt es sich die Regularien im Blick zu behalten – und das regelmäßig, denn aktuell gibt es hier viel Bewegung.
Hierzu zählt zum Beispiel das UWG (Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb). Es gilt Umweltaussagen immer faktisch zu belegen, die Informationen verständlich aufzubereiten und leicht zugänglich zu machen. Zudem sollte auf Begrifflichkeiten wie klimaneutral, klimapositiv, CO2-frei verzichtet werden. Es empfiehlt sich grundsätzlich umweltbezogene Aussagen rechtlich prüfen zu lassen.
Der EU Green Deal ist ein Paket politischer Initiativen mit dem Ziel der Klimaneutralität bis 2050. Hierzu zählt auch die EU Green Claims Directive. Dieser wurde Anfang 2024 von EU-Parlament und Rat beschlossen und soll bis 2026 in nationales Recht übertragen werden. Dies wird vermutlich zu einer Verschärfung des UWG führen.
Weitere Initiativen des EU Green Deals sind die Directive on Empowering Consumers for the Green Transition (EMPCO-RL), die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz (LKSG), die Ökodesign Verordnung und der digitale Produktpass, um nur ein paar relevante Beispiele zu nennen.
All diese Regularien bringen nicht nur Verpflichtungen mit sich. Sondern vor allen die Chance auf einen wirkungsvollen Klimaschutz. Unternehmen, die sie konsequent umsetzen gewinnen. In jeder Hinsicht. Denn sie schaffen die perfekte Grundlage für eine wirkungsvolle und glaubhafte Nachhaltigkeitskommunikation. Ganz ohne Greenwashing.
Marketing schafft Kult und prägt Verhaltensweisen. Aber Fakten alleine reichen nicht aus, um Menschen von einem nachhaltigeren Lebensstil zu überzeugen.
Insbesondere sollten die 3Vs klar aus der Nachhaltigkeitskommunikation ausgeklammert werden, nämlich Verzicht, Verbot und Verteuerung.
Was es dafür braucht ist eine Superkraft, die Kommunikationsexperten besser beherrschen als irgendjemand sonst: Storytelling.
1. Nachhaltigkeitsbotschaften sexy (und verständlich) aufbereiten.
Die Nachhaltigkeitsstrategie bildet die Basis für eine Greenwashing-freie Kommunikation. Durch sie – und das Nachhaltigkeitsreporting – werden transparente Fakten für die Kommunikation geschaffen. Nachhaltigkeitsbotschaften, die auf Produkten stehen, müssen im Detail belegt werden. (Hinweis auf §§ 3, 5 und 5a UWG). Renommierte Partner und anerkannte Labels sorgen zusätzlich für Glaubwürdigkeit.
Die Erweiterung der Zielgruppenanalyse auf „Green Personas“ hilft uns dabei, besser zu verstehen, was die Menschen in Punkto Nachhaltigkeit motiviert und wo sie im Alltag stattfindet.
Green Storytelling schafft eine positive Vision ohne Verzicht, Verbot & Verteuerung. Es nimmt Bezug auf die Lebensrealität und das lokale Umfeld der Menschen. Es zeigt, wie jeder selbst einen wertvollen Beitrag leisten kann. Und welchen Nutzen die KonsumentInnen daraus ziehen. Dafür verbindet es Emotionen gekonnt mit faktischen Informationen, um glaubwürdig auf den Punkt zu kommen.
Oder kurz: es beantwortet ganz klar folgende Frage „Was springt für mich dabei raus?“
2. Zur positiven Verhaltensänderung beitragen
Eine klare Informationshierarchie schafft Bewusstsein und unterstützt dabei, nachhaltige Entscheidungen zu treffen. Dabei sollten die Botschaften idealerweise nach den „Seven C’s“ aufbereitet werden:
Clear, Concise, Concrete, Correct, Coherent, Considered & Courteours.
Ein emotionales Storytelling, das die Zielgruppe in ihrer Lebenswelt mit relevanten Argumenten abholt, kann einen positiven Einfluss auf ihre Handlungen nehmen. Indem wir die Botschaften mehrstufig streuen und die Menschen an allen Touchpoints abholen, können wir einen positiven Einfluss auf den Value-Action-Gap der KonsumentInnen nehmen.
3. Was sagen wir? Und wie sagen wir es?
Marketing hat den größten Hebel, indem es einen Einfluss darauf nimmt, was beworben wird. Es liegt in unserer Verantwortung, auf die nachhaltigeren Produktalternativen zu setzen. Genauso, wie eine klare Haltung zu beziehen, wenn es darum geht, wofür wir NICHT werben.
Die digitale Werbung erzeugt jedes Jahr etwa 3,5 % der weltweiten Treibhausgase (Quelle). 51 % aller Werbeunternehmen erfassen ihre Treibhausgasemissionen noch nicht (Quelle). Die Branche muss Verantwortung übernehmen, denn das Bewusstsein ist vorhanden – 78 % der Marketingmanager geben an, dass Kommunikation und Marken einen nachhaltigen Zweck verfolgen sollten (Quelle).
4. Kollaboration & Transparenz
Aktuell gibt es noch keine festen Standards für das Emissions-Tracking und meist werden auch die Scope 3 Kriterien noch nicht erfasst. Wenn wir die Klimaschutzziele erreichen wollen, brauchen wir dringend eine brachenübergreifende und kollaborative Lösungsfindung. Keiner von uns schafft das alleine. Aber gemeinsam hätten wir einen gewaltigen Hebel. Außerdem empfiehlt sich ein Daten-Tracking entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Und gezielte Partnerschaften im Bereich Green Production.
Green Marketing hat sich stark weiterentwickelt. Und das wird es auch weiterhin tun. Welche Rolle wir dabei spielen, liegt in unserer Hand.